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Puls-Sendung Eisenmangel: Das Interview als Text

Interview Puls-Sendung: Eisenmangel – eine Glaubensfrage spaltet die Fachwelt.

Puls-Sendung vom Schweizer Fernsehen, Montag 19. November.

Text: Download als pdf. Wieder fit dank Eiseninfusionen. Oder ist alles nur ein Placeboeffekt?

Odette Frey: Alles Placebo oder was? Darüber spreche ich jetzt mit Beat Schaub. Wir haben ihn schon im Beitrag gesehen in seiner Eisenpraxis, in der er die Eiseninfusionen anbietet. Bei uns ist auch auf der anderen Seite des Tisches Thomas Rosemann. Er vertritt die Eisenskeptiker, die zurückhaltend sind mit Eisen.

Odette Frey:  Herr Rosemann, wir haben gesehen, Patientinnen in der Praxis von Herrn Schaub sagen, dass es ihnen viel besser geht und trotzdem gehören Sie zu den Medizinern, die sagen, alles sei nur Placebo. Wie kommen Sie darauf?

Thomas Rosemann: Also grundsätzlich muss man sagen, es gibt relativ wenig gute Studien zum Thema. Die wenigen Studien, die es gibt, sind oft noch von der Pharmaindustrie gesponsert. Und selbst in diesen Studien ist es so, dass die Placebo-Effekte sehr ausgeprägt sind. Über fünfzig Prozent der Frauen geben auch mit Scheininfusionen an, dass es ihnen hinterher besser geht. Der zusätzliche Effekt vom tatsächlichen Eisen in diesen Studien ist oft nur marginal bei ungefähr zehn Prozent. Und das bei Frauen, deren Ferritinwert unter 15 liegt.

Odette Frey: Also Sie meinen diejenigen Frauen, die wirklich sehr wenig Eisen haben. Und bei Ihnen Herr Schaub werden ja Frauen behandelt fast schon unabhängig davon, welcher Wert gemessen wurde. Bei Ihnen wird individuell geschaut: wann geht es der Frau besser? Jetzt, das ist eigentlich ein Vorwurf, könnte man sagen. Sie als Doktor, Sie behandeln mit einem Placebo. Das ist ja eigentlich fast unethisch.

Beat Schaub: Es gibt eine entscheidende Frage, die im Vordergrund steht. Es ist die Frage: Brauchen Frauen gleich viel Eisen wie Männer? Das ist die Hauptfrage.

Odette Frey: Bleiben wir doch schnell beim Thema Placebo und bei den Studien. Sie haben ja selbst Beobachtungen gemacht. Sie haben ja ihre Patientinnen. Ist das für Sie eine Studie, anhand der Sie sehen können: doch, ich sehe das.

Beat Schaub: Es gibt Studien, Prefer, Ferrim sowie die Metaanalysen von Yokoi und Houston.  Sie beweisen, dass Eiseninfusionen sinnvoll sind. Auch das Swiss Medical Board hat bewiesen, dass Eisengaben wirksam sind. Wir sehen selbst, dass ein Placebo-Effekt sicher möglich ist. Ein solcher dauert allerdings nur einige Tage, während der Erfolg bei uns über Jahre anhält. Bei uns ist der Placebo-Effekt sicher im Hintergrund.

Odette Frey: Sie stützen sich vor allem auf Ihre Beobachtungen, die sie über Jahre sehen und Sie, Herr Rosemann sagen, streng wissenschaftlich genügt das nicht, wir brauchen Placebo kontrollierte Studien. Für Sie, Herr Schaub hat es genügend Hinweise, für Sie, Herr Rosemann gibt es zu wenig Beweise. Ich würde sagen, das lassen wir einmal an dieser Stelle stehen und jetzt haken wir genau dort noch ein, wo Sie vorhin begonnen haben. Frauen sind anders als Männer, sie verlieren durch ihre Menstruation Eisen. Und das ist für Sie der plausible Hinweis, dass Frauen Eisen brauchen.

Beat Schaub: Wegen der Menstruation verliert eine Frau alle vier Wochen Schleimhaut, Blut und Eisen. Schleimhaut und Blut kann sie wieder herstellen, aber das Eisen ist weg für immer. Deshalb haben Frauen etwa achtmal weniger Eisen an Board als wir Männer. Die Frauen sind es, die an Beschwerden leiden und nicht wir Männer. Wir geben ihnen deshalb das Eisen zurück, damit sie gleich viel haben wie wir Männer und keine Beschwerden mehr haben. Das ist meistens der Fall bei einem durchschnittlichen Ferritinwert über 100. Aber es gibt Frauen, die haben 50 und sie sind mit Symptomen behaftet. Andere haben 15 und sind dabei fit. Das ist sehr individuell. 

Odette Frey: Also, Herr Schaub tut ein bisschen Gerechtigkeit herstellen: die Frauen haben gleichviel Eisen verdient. 

Thomas Rosemann: Also die Menstruation ist für mich kein Argument, weil man in diesen Studien explizit auch Frauen untersucht und sich dieser auch von der WHO empfohlene Grenzwert von 15 Nanogramm herauskristallisiert hat. Interessant ist vielleicht der internationale Blick. Wir machen in der Schweiz viermal mehr Eiseninfusionen als in Deutschland, zehnmal so viele als in Österreich und 1000-mal so viele wie in England. Also offensichtlich herrscht in England weniger Gleichberechtigung als bei uns.

Odette Frey: Also entweder sind wir auf der falschen Spur oder Pionier – je nach Einschätzung. Thomas Rosemann, was haben Sie denn diesen Frauen anzubieten, die in die Praxis kommen und über Beschwerden klagen? Eisen geben Sie nicht. Was machen Sie stattdessen?

Thomas Rosemann: Man muss sagen, es sind natürlich sehr alltägliche Beschwerden, Müdigkeit beispielsweise. Man hat hier fatalerweise quasi eine Antwort gefunden, und zwar eine sehr lukrative Antwort für Ärzte wie für Industrie für ein häufiges Symptom. Und ehrlicher wäre es eigentlich zu sagen: es ist normal, dass man Müdigkeit verspürt. Ich beispielsweise habe ein sehr hohes Eisen und hohes Hämoglobin und bin trotzdem regelmässig müde. Ich würde zu ausgewogener Ernährung raten, zu körperlicher Aktivität und dazu Dinge zu akzeptieren, die einfach zum Leben gehören wie hie und da eine Müdigkeit.

Odette Frey: Herr Schaub, sprechen Sie auch so mit ihren Patienten? Anders ernähren, mehr schlafen, Stress reduzieren, das kann auch helfen.

Beat Schaub: Auch, ja, wir sprechen mit ihnen darüber. Wir sehen regelmässig Frauen, die kommen mit Symptomen wie Lustlosigkeit, Müdigkeit, schlechter Konzentration, Schwindel, Depressivität. Sie werden zum Teil unnötig abgeklärt, falsch behandelt, falsch psychiatrisiert und schlucken Psychopharmaka. Viele haben Eisentabletten genommen, die nichts bringen und deshalb geben wir das Eisen intravenös, damit die Beschwerden verschwinden.

Odette Frey: Also sie geben das Eisen und gehen nicht noch auf weitere Strategien ein.

Beat Schaub:  Immer, doch. Wir gehen auch darauf ein.

Odette Frey: Über Nebenwirkungen haben wir bisher nicht gross gesprochen. Es gibt natürlich Nebenwirkungen beim Eisen. Wie frappant sind diese aus Ihrer Sicht, Herr Rosemann?

Thomas Rosemann: Es gibt Zahlen zwischen 2014 und 2016. Beispielsweise gab es bei Swissmedic, der Aufsichtsbehörde fast 500 Meldungen über Nebenwirkungen, ungefähr die Hälfte davon schwer. Und es gibt mehrere Todesfälle, die man damit in Zusammenhang bringt. Auch der Hersteller warnt im Beipackzettel vor schweren allergischen Reaktionen, die auch tödlich verlaufen können – auch bei Patientinnen und das ist wichtig zu wissen, die schon in der Vergangenheit problemlos Eiseninfusionen erhalten haben. 

Odette Frey: Herr Schaub, wie sieht es bei Ihnen aus?

Beat Schaub: Wenn man Eisen richtig gibt, gibt es kein Risiko. Wir haben seit 24 Jahren Erfahrung mit zehntausenden von Eiseninfusionen, passen dabei aber entsprechend auf. Wir sind sehr sorgfältig und dürfen sagen: so ist es problemlos.

Odette Frey: Grosse Uneinigkeit also betreffen Nutzen und Risiken der Eisentherapie. Die Schweizer Regierung überprüft derzeit die Notwendigkeit der Eisentherapie. Es dürfte sogar im nächsten Jahr ein Schwellenwert für Ferritin eingeführt werden. Das heisst, dass nur noch Frauen mit relativ wenig Eisen ihre Therapie erstattet bekommen. Wäre dies das Ende Ihrer Eisenpraxis?

Beat Schaub:  Nein. Der Bundesrat weiss genau, dass 15 für viele Frauen nicht genügt. Und eine solche Limitation einzuführen wäre eine riesige Ohrfeige für Frauen. Es wird kaum kommen. Und käme es dennoch, würden wir weiter behandeln. Die meisten Betroffenen wären bereit, die notwendige Therapie selbst zu bezahlen. 

Odette Frey: Patientinnen bezahlen die Therapie selbst, so ist die Prognose von Herr Schaub. Ist das für Sie der richtige Weg? 

Thomas Rosemann: Für mich ist es alternativlos, dass sich die Rückerstattung durch die Krankenkassen an der wissenschaftlichen Datenlage orientiert und nicht am Glauben. Sonst müsste man vieles erstatten, woran einzelne Patienten und Ärzte glauben. 

Odette Frey: Es bleibt also ein heisses Eisen, diese Eisentherapie. Ich danke Ihnen ganz herzlich, dass Sie heute bei uns in der Sendung waren, Herr Rosemann und Herr Schaub.

 

Kontakt: Beat Schaub: info@iron-code.net / Thomas Rosemann: thomas.rosemann@usz.ch

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