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Ein „Schutzschirm“ für Ungeborene

Unbedenklichkeit von Ferinject-Hochdosen bei Schwangeren noch nicht erwiesen

Die Swiss Iron Health OrganisationSIHOsah sich Anfang Juli 2012 veranlasst, ein neues Projekt ins Leben zu rufen, eine Art „Schutzschirm“ für Ungeborene. Wissenschaftler der Universität Bern hatten nämlich im Juni in einer Zeitschriftbehauptet, das Eisenpräparat Ferinject in seiner hohen Dosierung könne ab sofort auch bei schwangeren Frauen eingesetzt und das heisst zwangsläufig auch: den Embryos zugemutet werden. Begründet wurde dieser Schritt mit angeblichen Studienergebnissen. Dem steht aber entgegen, was in dem von unserer staatlichen Zulassungsbehörde Swissmedic genehmigten Beipackzettel dieses Medikaments zu lesen ist. Dort wirdschwarz auf weissausgewiesen, dass für die Verträglichkeit von Ferinject bisher nur Resultate von Tierversuchen vorliegen.

Die große – und wichtige – Frage ist jetzt also: Wer hat Recht?

Um das beurteilen zu können, hat die SIHO nicht nur die Universität Bern, sondern auch die Vifor Pharma um die Zusendung der erwähnten Studien gebeten. Sollte sich unsere Zulassungsbehörde getäuscht haben und würden tatsächlich relevante Studien bei Menschen existieren, dann müssten deren Ergebnisse umgehend der Öffentlichkeit, zumindest der medizinischen, zugänglich gemacht werden. Dabei ginge es auch um ihre Überprüfung hinsichtlich Sample Size Calculation, Erfolgsquote, Sicherheit, Ferritinwerte bei Schwangeren und Neugeborenen.

Am 16. Julierhielt die SIHO von derUniversität Bernzwar die angeforderteStudie. Es stellte sich jedoch heraus, dass diese noch gar nicht publiziert wurde und zudem den Sicherheitsansprüchen der SIHO aus verschiedenen Gründen keineswegs genügen kann. Schon nach einer ersten oberflächlichen Durchsicht fällt nämlich auf:

Eine Studie, in welcher Eisenmangelpatientinnen intravenös Eisen erhalten, sollte kontrolliert durchgeführt werden. Es erstaunt, dass nach den Eisengaben die Ferritinwerte nicht gemessen wurden. Dadurch kann nicht ausgeschlossen werden, dass es bei den Schwangeren und möglicherweise auch bei den Embryos nach der Infusion von einem Gramm Ferinject zu toxischen Eisenkonzentrationen gekommen ist – wenn auch nur vorübergehend.

Eine Studie mit schwangeren Frauen sollte unter allen Umständen so konzipiert sein, dass nach der Entbindung auch die Neugeborenen untersucht werden. Das ist aber im vorliegenden Fall leider versäumt worden. Es existieren keine Studien-„Endpunkte“ für die Neugeborenen. Um deren Sicherheit aber muss es schliesslich in erster Linie gehen! Die Limitationen des vorliegenden Studiendesigns lassen es indes kaum zu, zuverlässige Aussagen zur Sicherheit der Anwendung von Ferinject für die Embryos zu machen.

Es wird unter „Methods“ und „Limitations“ zwar darauf hingewiesen, dass es sich lediglich um eine retrospektive Beobachtungsstudie handelt. Dennoch wird zwischendurch der Eindruck erweckt, als habe man es mit einer prospektiven Studie (Zitat unter „Methods“: „Nurses or midwives were instructed to document the procedure and any side effects during and after i.v. administration“) zu tun. Damit drängt sich die Frage auf:Handelt es sich eventuell doch um eine Interventionsstudie, die von einer Ethikkommission als solche hätte genehmigt werden müssen?

Bei retrospektiven Beobachtungsstudien kann man den Selektionsbias nicht kontrollieren. Dass exakt die gleiche Zahl (nämlich 103 Schwangere) in beide Behandlungsgruppen eingeschlossen wurde, deutet darauf hin, dass zumindest eine Vorselektion erfolgte oder vielleicht sogar unliebsame Datensätze nicht berücksichtigt wurden.

Es ist leider eine bekannte Tatsache, dass nicht selten unerwünschte Arzneimittelwirkungen nicht oder nur unzureichend gemeldet werden. Insofern ist eine retrospektive Analyse von Daten grundsätzlich ungeeignet, um realistische Angaben über Nebenwirkungen zu erhalten – es sei denn, die Dokumentationskultur ist in der Schweiz dermassen hoch, dass grundsätzlich alle Nebenwirkungen, auch die vorübergehenden, dokumentiert und auch gemeldet werden. (Oder stammen die Daten vielleicht gar nicht aus der Schweiz?).

Es scheint auf den ersten Blick, als hätten im Rahmen dieser Studie die Venofer-Patientinnen insgesamt weniger Eisen erhalten als die Ferinject-Patientinnen.

Die aus dieser Auflistung erkennbare Problematik muss wissenschaftlich seriös und patientenorientiert geprüft sowie auch bearbeitet werden. Deshalb ist die SIHO dabei, ein Advisory Board (Beirat) zu bilden, das in den nächsten Wochen detailliert Stellung beziehen wird. Die SIHO hat die Berner Antwort und ihre noch unveröffentlichte Studie auch der Marktüberwachung der Zulassungsbehörden Schweiz (Swissmedic), Deutschland (BfArM) und Österreich (AGES) zukommen lassen mit der Bitte um eine Stellungnahme aus Ihrer Sicht. Ebenfalls angefragt wurde das embryotoxische Zentrum der Charité Berlin.

Die Antwort von Vifor Pharma steht noch aus. Sie hat uns bisher noch keine Studien zugesandt.

Wie sollten Betroffene jetzt vorgehen?

Bis zur Klärung dieser Angelegenheit sehen wir uns genötigt, den betroffenen Ärzten zu empfehlen, Schwangeren, die unter Eisenmangel leiden und deshalb therapiert werden möchten bzw. müssen, ausschließlich das altbekannte Präparat Venofer zu geben. Für den Einsatz dieser Eisensaccharose stehen schließlich hinreichend Studien zur Verfügung. Sie hat sich wegen ihrer guten Wirksamkeit und Verträglichkeit bei moderater Dosierung bereits seit 1971 (Charité Berlin) nicht nur generell, sondern darüber hinaus in den letzten zwanzig Jahren auch speziell bei Schwangeren bewährt. Die erste Generation der Venofer-Empfänger im Mutterleib ist immerhin heute zwanzig Jahre alt und hat durch die damaligen Eisengaben nachweislich keinerlei Schäden erlitten. Die SIHO appelliert deshalb an die damit befassten Ärzte, ihre Verantwortung wahrzunehmen und nur das bewährte Präparat einzusetzen. Schliesslich „haften“ sie bei den von ihnen betreuten Schwangeren jeweils immer für zwei. Sie sollten sich deshalb auch aktiv an der Gestaltung dieses „Schutzschirmes für Ungeborene“ beteiligen. Aber auch die Universität Bern und die Vifor Pharma sind dazu herzlich eingeladen.

Vielleicht stimmt es allerdings, dass in der Schweiz schon viele Ärzte und Kliniken ihren schwangeren Frauen und Embryos – ohne Kenntnis der Risiken für beide – dennoch Ferinject-Hochdosen verabreichen. Zumindest war dies demBriefzu entnehmen, den wir von der Universität Bern erhalten haben! Sollte dies wirklich zutreffen, wären auch die Ärzte, die bisher gutgläubig so verfahren sind, mit einem „Ferinject-Time-out“ gut beraten. Dies zumindest solange, bis zuverlässige und gesicherte Daten vorliegen.

Die SIHO hat einen Vergleich der Vorteile von Venofer und Ferinject bei Schwangerenaufgelistet.

Aus Sicherheitsgründen empfiehlt die SIHO den schwangeren Eisenmangelpatientinnen, sich in einemÄrztlichen Eisenzentrumberaten und, wenn notwendig, dort auch behandeln zu lassen. Diese arbeiten in kontrollierter Weise unter der Supervision der patientenorientierten Swiss Iron Health Organisation SIHO und therapieren ihre Patientinnen individuell dosiert und mit einem ihnen und ihren Ungeborenen zuträglichen Präparat.

PS:Die US-amerikanische Gesundheits-Behörde FDA hat Ferinject seit 2008gar nicht erst zugelassen– u.a. aus Sicherheitsbedenken. Auch die Swissmedicwarntseit Dezember 2010 generell vor Ferinject-Hochdosen, obwohl sie dieses konzentrierten Präparats 2008 grundsätzlich zugelassen hat.

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